Alterswohnen neu gedacht

Das Haus 5egg neben dem Bahnhof Flawil hat nicht nur eine spezielle Form. Es bietet auch eine besondere Art des Alterswohnens: Sowohl rüstige Rentnerinnen und Rentnern als auch Personen, die Pflege benötigen, finden dort ein Zuhause. 30 grosszügig geschnittene Wohnungen, Pflegedienstleistungen im Haus und ein Hotellerie-Betrieb sorgen dafür, dass unterschiedliche Bedürfnisse abgedeckt sind.

Das Projekt überzeugt mit einer Architektur, die sich optimal in die Umgebung einfügt. Mit seiner Arkade ist es Teil des Bahnhofplatzes geworden. Müssig lieferte Geländer für die Fassade und die beiden Treppenhäuser.
Lesen Sie mehr über das aussergewöhnliche Projekt im Interview mit Architektin Barbara Menti-Brechbuehler von Brechbuehler Walser Architekten.

Frau Menti-Brechbuehler, Ihr Auftrag war es, Alterswohnen für verschiedene Bedürfnisse zu schaffen. Wie sind Sie vorgegangen?

Wir wollten ein Haus schaffen, das Wohnlichkeit ausstrahlt und keinesfalls einen Altersheim-Groove vermittelt. Ich finde man sieht dem Haus das Pflegethema nicht an. Und dies, obwohl wir einige Dinge beachten mussten, wie zum Beispiel die Zimmergrössen, die auf die Bettradien von Pflegebetten ausgerichtet sind. Die Ergänzung um ein öffentliches Restaurant im Erdgeschoss trägt zum Generationenaustausch bei und öffnet das Haus für die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner.

Der fünfeckige Grundriss fällt einem als erstes auf. Keine einfache Ausgangslage. Wie haben Sie ihn zum Vorteil genutzt?

Wir haben die Grundrisse der Wohnungen vom Treppenhaus über Diagonalen an die Ecken hinaus entwickelt. In jedem Geschoss sitzen gewissermassen fünf Wohnungen in der Ecke. Dazwischen gibt es auf jedem Stock noch drei Wohnungen. Wir haben ausserdem zwei Atrien mit grosszügigen Treppenhäusern entworfen und um diese herum je vier Wohnungen angeordnet. Die Atrien fungieren als Begegnungsort für die Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Geländer im Inneren und Äusseren sind sehr auffällig bei diesem Objekt. Wie haben Sie diese gestaltet?

Aussen funktionieren die Geländer als webendes Element und halten das Haus im übertragenen Sinne zusammen. Die Geländer sind an der Aussenfassade auch dort zu finden, wo sie aus praktischen Gründen gar nicht nötig wären. Als Stilmittel zeichnen sie die Wohnungen von aussen nach. Im Innern sind die Geländer ein wichtiges Gestaltungselement der beiden grosszügigen Treppenhäuser.

Wie haben Sie mit Müssig zusammengearbeitet?

Die abgerundete Staketen waren keine leichte Ausganglage. Die Biegung der Staketen musste etwas reduziert werden und das Verbinden mit dem Ober- und Untergurt konnte erst nach dem zweiten Anlauf für alle befriedigend ausgeführt werden. Der Prozess war ein Ausprobieren für beide Seiten. Für uns war es ein grosser Vorteil, dass wir eine Firma gefunden haben, die diese genaue Arbeit zu einem Preis gemacht hat, der gut in unser Budget gepasst hat.

Welche Rückmeldungen auf das Projekt haben sie von Bewohner*innen und der Bevölkerung erhalten?

Der Stil und die Möglichkeit, auch bei einer Pflegebedürftigkeit dort bleiben zu können, kamen bei Seniorinnen und Senioren gut an. Die Wohnungen für jüngere Rentnerinnen und Rentner waren darum auch schnell vermietet. Eine Herausforderung war es von Anfang an eine gewisse Anzahl an pflegebedürftigen Mieterinnen und Mieter zu finden. Es war nämlich für Viele eine ungewöhnliche Vorstellung, als Pflegefall in eine eigene Wohnung zu ziehen.

Für die Bevölkerung gab es zur Eröffnung des 5egg im November 2019 einen Tag der offenen Tür. Wir waren vor Ort und haben viel positive Rückmeldungen erhalten. Die Sichtbetonfassade mit dem hellen Kalksteinbeton kommt bei vielen gut an, weil sie sehr freundlich wirkt.